FDP – wie bitte?

Quelle: Stuttgarter Zeitung – Marius Venturini, 16.01.2012

Bernd Murschel lässt sich überraschen – hat er doch bereits eine lange Laufbahn hinter sich. Zumindest, was das politische Frühstück am Leonberger Albert- Schweitzer- Gymnasium (ASG) angeht. „Spontan zu diskutieren ist doch viel interessanter als bloß irgendwelche Themen abzuarbeiten“, sagt der Grünen- Landtagsabgeordnete. Und so unterhält er sich an seinem Tisch mit den Oberstufenschülern zum Beispiel ausführlich über Energieversorgung und Stuttgart 21.

Den beiden Schülerinnen Alisa Gigis und Miriam Grabisch ist es gelungen, Teile der Polit- Prominenz der Region am ASG zu versammeln. Neben Bernd Murschel stellten sich die Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger (CDU), Florian Toncar (FDP) und Richard Pitterle (Die Linke) sowie der Landtagsabgeordnete Florian Wahl (SPD) den Fragen der Schüler. „Schade, dass Winfried Hermann nicht dabei ist“, sagt Miriam Grabisch, „aber als Verkehrsminister hat er wahrscheinlich anderes zu tun.“ Angefragt habe man zwar, aber leider eine Absage erhalten.

Mit den anwesenden Politikern lässt sich aber trotzdem trefflich diskutieren – mal rein informativ, mal ausgesprochen angriffslustig. So fühlt Frankie Weis am FDP- Tisch Florian Toncar auf den Zahn. Warum man denn gerade die Liberalen wählen solle, will der 18- jährige Schüler vom Bundespolitiker wissen. Der bemüht einen Vergleich aus der Welt des Fußballs. „Es ist doch so, dass, wenn die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz steht, das Stadion nur halbvoll ist“, beschreibt er die Lage seiner zur Zeit kriselnden Partei.

In der Frühstücksrunde um Florian Wahl geht es kurze Zeit später um das Schulwesen. Wie soll das Modell der angedachten Gemeinschaftsschulen funktionieren? Wie durchlässig sollte das Schulsystem nach oben und nach unten sein? „Dieses Thema ist für uns natürlich am interessantesten“, sagt die 16- jährige Fenja Kanstinger, „denn zum einen betrifft es uns selbst, zum anderen wissen wir auch schon einige Dinge darüber.“

Steffen Bilger behandelt derweil mit den Schülern das Thema soziale Ungleichheit. „Ich denke, dass unser System hier in Deutschland von allen großen westlichen Ländern trotz allem das beste ist“, sagt er – und klärt im Anschluss noch die grundsätzliche Frage, bei wem die Bundesrepublik denn eigentlich Schulden habe. Jetzt wissen die ASGler, dass es sich dabei unter anderem um Privatleute im In- und Ausland sowie um diverse Fonds handelt.

Zeitgleich geht es bei Linken- Politiker Richard Pitterle um das brisante Thema eines NPD- Verbots. Außerdem interessiert sich die Runde brennend dafür, ob denn das neue Programm seiner Partei „linker“ ist als das bisherige.

Schulleiter Klaus Nowotzin ist angetan von so viel fast schon traditionellem Politik- Interesse seiner Schüler. Er erinnert sich: „Ich hatte einmal einen Gemeinschaftskundekurs, in dem ein Schüler bei den Jusos war und einer bei der Jungen Union. Der Unterricht lief praktisch wie von selbst.“ Doch politisches Engagement macht er keinesfalls an der Mitgliedschaft in einer Partei fest.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion – unter anderem geht es um die Abschaffung der Wehrpflicht sowie Bürgerbeteiligung und Umweltschutz – kristallisiert sich heraus: Sozialdemokrat Florian Wahl kann sich den ersten Eindrücken nach als Punktsieger fühlen. Doch auch die anderen Politiker können auf einige angenehme Gespräche zurückblicken. „Das war alles sehr lebendig“, sagt Florian Toncar.